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===== '''Spontane Aktivität''' ===== | ===== '''Spontane Aktivität''' ===== | ||
[[File:EMG a punta+.jpeg|thumb|''' | [[File:EMG a punta+.jpeg|thumb|'''Abbildung 2:''' Spontane Aktivität mit positiven Spitzenspitzenentladungen in einem denervierten Muskel]] | ||
In den ersten 2 Wochen nach der Denervierung erhöht sich die Sensitivität einer Muskelfaser gegenüber Acetylcholin (ACh) um das bis zu 100-fache. Dieses Phänomen, bekannt als "Denervierungshypersensitivität", könnte die spontane Aktivität denervierter Muskelfasern als Reaktion auf minimale ACh-Quanten erklären.<ref>{{cita libro | In den ersten 2 Wochen nach der Denervierung erhöht sich die Sensitivität einer Muskelfaser gegenüber Acetylcholin (ACh) um das bis zu 100-fache. Dieses Phänomen, bekannt als "Denervierungshypersensitivität", könnte die spontane Aktivität denervierter Muskelfasern als Reaktion auf minimale ACh-Quanten erklären.<ref>{{cita libro | ||
| autore = Axelsson J | | autore = Axelsson J | ||
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Diese Studien haben eine alternative Hypothese vorgeschlagen, nämlich langsame Veränderungen der Membranpotenziale, die metabolischen Ursprungs sind und periodisch ein kritisches Niveau erreichen können und propagierte Spikes auslösen können. Typische Phänomene spontaner Aktivität umfassen jedoch Fibrillationspotenziale, positive Spikewellen, Faszikulationspotenziale, myochemische Entladungen und komplexe repetitive Entladungen. Ohne zu sehr auf spezialisierte Themen einzugehen und die elektrophysiologischen Aufzeichnungen des klinischen Falls zu berücksichtigen, genügt es, sich mit positiven Spikewellen, Fibrillationen und Faszikulationen zu befassen. Positive Spitzenwellen sind Sägezahnentladungen, die spontan und kontinuierlich entladen werden. | Diese Studien haben eine alternative Hypothese vorgeschlagen, nämlich langsame Veränderungen der Membranpotenziale, die metabolischen Ursprungs sind und periodisch ein kritisches Niveau erreichen können und propagierte Spikes auslösen können. Typische Phänomene spontaner Aktivität umfassen jedoch Fibrillationspotenziale, positive Spikewellen, Faszikulationspotenziale, myochemische Entladungen und komplexe repetitive Entladungen. Ohne zu sehr auf spezialisierte Themen einzugehen und die elektrophysiologischen Aufzeichnungen des klinischen Falls zu berücksichtigen, genügt es, sich mit positiven Spikewellen, Fibrillationen und Faszikulationen zu befassen. Positive Spitzenwellen sind Sägezahnentladungen, die spontan und kontinuierlich entladen werden. | ||
Diese Art von Aktivität findet sich in denervierten Muskeln, aber auch in einer Vielzahl von myogenen Zuständen. In Abbildung 2 ist es möglich, eine typische Aufzeichnung der spontanen Aktivität von positiven Spitzenwellen zu beobachten, die im Vergleich zum klinischen Fall unter Untersuchung (Abbildung 1B) deutlich unterschiedlich sind. Unter Fibrillation verstehen wir hingegen Potenziale mit einer Dauer von <math>1-5</math> <math>msec</math> und einer Amplitude von etwa <math>\approxeq 20-200\mu V</math> mit biphasischen oder triphasischen Wellenformen und anfänglicher Positivität. Fibrillationspotenziale, die durch spontane Schwingungen im Membranpotenzial ausgelöst werden, feuern typischerweise mit Frequenzen von <math>1-30 Hz</math> und einem Durchschnitt von <math>13Hz</math>. Dieses Phänomen stellt die spontane Aktivität eines oder mehrerer Muskelgewebe dar und ist pathognomonisch für eine Denervation, obwohl es auch in gesunden Muskeln auftreten kann. Das Vorhandensein reproduzierbarer Entladungen in mindestens zwei verschiedenen Bereichen des Muskels deutet in der Regel auf eine sekundäre motorische Neuronenstörung hin, die Pathologien der vorderen Hornzellen, Radikulopathien, Plexopathien, axonale Mono- und Polyneuropathien sowie bestimmte Myopathien umfasst. | Diese Art von Aktivität findet sich in denervierten Muskeln, aber auch in einer Vielzahl von myogenen Zuständen. In Abbildung 2 ist es möglich, eine typische Aufzeichnung der spontanen Aktivität von positiven Spitzenwellen zu beobachten, die im Vergleich zum klinischen Fall unter Untersuchung (Abbildung 1B) deutlich unterschiedlich sind. Unter Fibrillation verstehen wir hingegen Potenziale mit einer Dauer von <math>1-5</math> <math>msec</math> und einer Amplitude von etwa <math>\approxeq 20-200\mu V</math> mit biphasischen oder triphasischen Wellenformen und anfänglicher Positivität. Fibrillationspotenziale, die durch spontane Schwingungen im Membranpotenzial ausgelöst werden, feuern typischerweise mit Frequenzen von <math>1-30 Hz</math> und einem Durchschnitt von <math>13Hz</math>. Dieses Phänomen stellt die spontane Aktivität eines oder mehrerer Muskelgewebe dar und ist pathognomonisch für eine Denervation, obwohl es auch in gesunden Muskeln auftreten kann. Das Vorhandensein reproduzierbarer Entladungen in mindestens zwei verschiedenen Bereichen des Muskels deutet in der Regel auf eine sekundäre motorische Neuronenstörung hin, die Pathologien der vorderen Hornzellen, Radikulopathien, Plexopathien, axonale Mono- und Polyneuropathien sowie bestimmte Myopathien umfasst. | ||
[[File:EMG fibrillazione.jpeg|left|thumb|''' | [[File:EMG fibrillazione.jpeg|left|thumb|'''Abbildung 3:''' Aufzeichnung der spontanen Fibrillationsaktivität in einem denervierten Muskel.]] | ||
In Abbildung 3 können wir eine typische Spur spontaner Aktivität aus Denervation beobachten und sie mit der Spur in Abbildung 1C vergleichen, in der elektrophysiologische Unterschiede festgestellt werden können. Die spontane Fibrillationsaktivität hat eine Amplitude von etwa <math>\approxeq 200\mu V</math>, die Frequenz von <math>13Hz</math> erscheint zufällig, während im berichteten klinischen Fall (Abbildung 1C) die Amplitude etwa <math>\approxeq 400\mu V</math>betrug und die höchste Frequenz, aber besonders stabil war und fast einen zentralen Schrittmacher signalisierte. | In Abbildung 3 können wir eine typische Spur spontaner Aktivität aus Denervation beobachten und sie mit der Spur in Abbildung 1C vergleichen, in der elektrophysiologische Unterschiede festgestellt werden können. Die spontane Fibrillationsaktivität hat eine Amplitude von etwa <math>\approxeq 200\mu V</math>, die Frequenz von <math>13Hz</math> erscheint zufällig, während im berichteten klinischen Fall (Abbildung 1C) die Amplitude etwa <math>\approxeq 400\mu V</math>betrug und die höchste Frequenz, aber besonders stabil war und fast einen zentralen Schrittmacher signalisierte. | ||
Um terminologische und klinische Verwirrung zwischen Fibrillation und Faszikulation zu vermeiden, schlugen Danny-Brown und Pennybacker vor,<ref>Danny-Brown D, Pennybacker JB.: Fibrillation and fasciculation in voluntary muscle. Brain 1938; 61: 311-332</ref> den Begriff Faszikulation zu verwenden, um den spontanen Zucken von motorischen Einheiten zu beschreiben. Faszikulationen stellen daher die spontane Entladung einer Gruppe von Muskelfasern dar, die auf den gesamten oder teilweisen Teil der motorischen Einheit zurückzuführen ist. Das isolierte Feuern einer motorischen Einheit mit komplexen Salven wiederholter Entladungen verursacht wurmförmige Bewegungen der Haut, die als Myokymie bezeichnet werden.<ref>Sindermann F,Conrad B, Jacobi HM, Prochazka VJ.: Unusual properties of repetitive fasciculation Elctroencephalogr Clin Neurophysiol 1973; 35: 173-179</ref> [[File:Fascicolazioni .jpeg|thumb|''' | Um terminologische und klinische Verwirrung zwischen Fibrillation und Faszikulation zu vermeiden, schlugen Danny-Brown und Pennybacker vor,<ref>Danny-Brown D, Pennybacker JB.: Fibrillation and fasciculation in voluntary muscle. Brain 1938; 61: 311-332</ref> den Begriff Faszikulation zu verwenden, um den spontanen Zucken von motorischen Einheiten zu beschreiben. Faszikulationen stellen daher die spontane Entladung einer Gruppe von Muskelfasern dar, die auf den gesamten oder teilweisen Teil der motorischen Einheit zurückzuführen ist. Das isolierte Feuern einer motorischen Einheit mit komplexen Salven wiederholter Entladungen verursacht wurmförmige Bewegungen der Haut, die als Myokymie bezeichnet werden.<ref>Sindermann F,Conrad B, Jacobi HM, Prochazka VJ.: Unusual properties of repetitive fasciculation Elctroencephalogr Clin Neurophysiol 1973; 35: 173-179</ref> [[File:Fascicolazioni .jpeg|thumb|'''Abbildung 4:''' Faszikulationen des linken Musculus orbicularis oculi.]] | ||
Wiederholte Entladungen derselben motorischen Einheit treten in Salven in regelmäßigen Abständen von <math>0.1-10sec</math> bis 10 Sekunden auf, wobei in jeder Salve <math>2-10</math>Spike-Entladungen mit einer Frequenz von <math>30-40 Hz</math> auftreten. Faszikulationspotenziale sind typischerweise mit Pathologien der vorderen Hornzellen verbunden, werden jedoch auch bei Radikulopathien, Nerveneinklemmungen und dem Muskelschmerz-Faszikulationssyndrom beobachtet. Abbildung 4 zeigt ein deutliches Beispiel für Faszikulationen des Musculus orbicularis oculi, das im Vergleich zu den Aufzeichnungen des klinischen Falls (Abbildung 1B und C) eine vollständige morphologische Vielfalt und zeitliche Darstellung aufweist. Diese Vielfalt würde die Ausschlussdiagnose einer Denervationspathologie stärken. | Wiederholte Entladungen derselben motorischen Einheit treten in Salven in regelmäßigen Abständen von <math>0.1-10sec</math> bis 10 Sekunden auf, wobei in jeder Salve <math>2-10</math>Spike-Entladungen mit einer Frequenz von <math>30-40 Hz</math> auftreten. Faszikulationspotenziale sind typischerweise mit Pathologien der vorderen Hornzellen verbunden, werden jedoch auch bei Radikulopathien, Nerveneinklemmungen und dem Muskelschmerz-Faszikulationssyndrom beobachtet. Abbildung 4 zeigt ein deutliches Beispiel für Faszikulationen des Musculus orbicularis oculi, das im Vergleich zu den Aufzeichnungen des klinischen Falls (Abbildung 1B und C) eine vollständige morphologische Vielfalt und zeitliche Darstellung aufweist. Diese Vielfalt würde die Ausschlussdiagnose einer Denervationspathologie stärken. | ||
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Eine motorische Einheit kann anhand der Amplitude, Anstiegszeit, Dauer und Phasen definiert werden, wie später im Kapitel 'Elektromyographie' näher beschrieben wird. Die aufgezeichnete Amplitude variiert stark mit der Position der Elektrodenspitze relativ zur entladenen Ionenstromquelle, daher wählt ein erfahrener Bediener ein Motorischeinheitspotential mit einer Anstiegszeit von etwa <math>\approxeq 500\mu sec</math> aus, um sicher nahe an der Quelle zu sein. Die Amplitude im normalen Bereich reicht von Hunderten von <math>\mu V</math>bis zu einigen <math>m V</math>und die Dauer beträgt <math>5-10 msec</math>. Für die Gesichtsmuskeln beziehen wir uns insbesondere auf die von Buchthal<ref>Buchtal F: An introduction to electromyography Scandinavian University Books. Copenhagen 1957</ref>angegebenen Werte, deren Bereich bei maximal <math>75</math> Jahren zwischen <math>4,2-7,5 msec</math> liegt. Biphasische oder triphasische motorische Einheitspotenziale sind auch in normalen Muskeln vorhanden, und zwar durchschnittlich bei <math>5-15%</math> der motorischen Einheiten mit <math>4</math> oder mehr Phasen. | Eine motorische Einheit kann anhand der Amplitude, Anstiegszeit, Dauer und Phasen definiert werden, wie später im Kapitel 'Elektromyographie' näher beschrieben wird. Die aufgezeichnete Amplitude variiert stark mit der Position der Elektrodenspitze relativ zur entladenen Ionenstromquelle, daher wählt ein erfahrener Bediener ein Motorischeinheitspotential mit einer Anstiegszeit von etwa <math>\approxeq 500\mu sec</math> aus, um sicher nahe an der Quelle zu sein. Die Amplitude im normalen Bereich reicht von Hunderten von <math>\mu V</math>bis zu einigen <math>m V</math>und die Dauer beträgt <math>5-10 msec</math>. Für die Gesichtsmuskeln beziehen wir uns insbesondere auf die von Buchthal<ref>Buchtal F: An introduction to electromyography Scandinavian University Books. Copenhagen 1957</ref>angegebenen Werte, deren Bereich bei maximal <math>75</math> Jahren zwischen <math>4,2-7,5 msec</math> liegt. Biphasische oder triphasische motorische Einheitspotenziale sind auch in normalen Muskeln vorhanden, und zwar durchschnittlich bei <math>5-15%</math> der motorischen Einheiten mit <math>4</math> oder mehr Phasen. | ||
[[File:EMG polifasico.jpeg|left|thumb|''' | [[File:EMG polifasico.jpeg|left|thumb|'''Abbildung 5:''' Aufzeichnung des polyphasischen motorischen Einheit-Aktionspotenzials (MUAP)]] | ||
Die Anzahl der polyphasischen Einheiten nimmt sowohl bei Myopathien, Neuropathien als auch bei Pathologien der Motoneurone zu. Polyphasie zeigt daher eine zeitliche Streuung der Muskelzellpotenziale innerhalb einer motorischen Einheit an. Bei einigen Abnormalitäten, sogenannten Doppel- oder Dreifachentladungen, feuert eine motorische Einheit zwei- oder dreimal in sehr kurzen Zeitintervallen und repräsentiert einen metabolischen Störungszustand, der mit einer Hypererregbarkeit des motoneuralen Pools verbunden ist. In Abbildung 5 können wir eine typische Aufzeichnung minimaler willkürlicher Aktivität polyphasischer MUAP und eine Doppelentladung beobachten, die einen Zustand der motorischen Neuronenpathologie darstellt. Vergleicht man diese Aufzeichnung der pathologischen motorischen Einheit mit einigen der Abbildungen 1C, insbesondere den 5,7,13 und 23, mit den Werten der jeweiligen Amplitude von 678 μV; 419 μV3; 686 μV und 530 μV, sowie der Dauer von 8,2, 4,2, 6,2 ms und 8,4 ms, können wir feststellen, dass die aufgezeichnete Aktivität am linken Massetermuskel des fraglichen klinischen Falls keine elektrophysiologischen Merkmale aufweist, die mit einem Schädigungsbild des II. Motoneurons übereinstimmen können. | Die Anzahl der polyphasischen Einheiten nimmt sowohl bei Myopathien, Neuropathien als auch bei Pathologien der Motoneurone zu. Polyphasie zeigt daher eine zeitliche Streuung der Muskelzellpotenziale innerhalb einer motorischen Einheit an. Bei einigen Abnormalitäten, sogenannten Doppel- oder Dreifachentladungen, feuert eine motorische Einheit zwei- oder dreimal in sehr kurzen Zeitintervallen und repräsentiert einen metabolischen Störungszustand, der mit einer Hypererregbarkeit des motoneuralen Pools verbunden ist. In Abbildung 5 können wir eine typische Aufzeichnung minimaler willkürlicher Aktivität polyphasischer MUAP und eine Doppelentladung beobachten, die einen Zustand der motorischen Neuronenpathologie darstellt. Vergleicht man diese Aufzeichnung der pathologischen motorischen Einheit mit einigen der Abbildungen 1C, insbesondere den 5,7,13 und 23, mit den Werten der jeweiligen Amplitude von 678 μV; 419 μV3; 686 μV und 530 μV, sowie der Dauer von 8,2, 4,2, 6,2 ms und 8,4 ms, können wir feststellen, dass die aufgezeichnete Aktivität am linken Massetermuskel des fraglichen klinischen Falls keine elektrophysiologischen Merkmale aufweist, die mit einem Schädigungsbild des II. Motoneurons übereinstimmen können. | ||
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