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Die Anzahl der polyphasischen Einheiten nimmt sowohl bei Myopathien, Neuropathien als auch bei Pathologien der Motoneurone zu. Polyphasie zeigt daher eine zeitliche Streuung der Muskelzellpotenziale innerhalb einer motorischen Einheit an. Bei einigen Abnormalitäten, sogenannten Doppel- oder Dreifachentladungen, feuert eine motorische Einheit zwei- oder dreimal in sehr kurzen Zeitintervallen und repräsentiert einen metabolischen Störungszustand, der mit einer Hypererregbarkeit des motoneuralen Pools verbunden ist. In Abbildung 5 können wir eine typische Aufzeichnung minimaler willkürlicher Aktivität polyphasischer MUAP und eine Doppelentladung beobachten, die einen Zustand der motorischen Neuronenpathologie darstellt. Vergleicht man diese Aufzeichnung der pathologischen motorischen Einheit mit einigen der Abbildungen 1C, insbesondere den 5,7,13 und 23, mit den Werten der jeweiligen Amplitude von 678 μV; 419 μV3; 686 μV und 530 μV, sowie der Dauer von 8,2, 4,2, 6,2 ms und 8,4 ms, können wir feststellen, dass die aufgezeichnete Aktivität am linken Massetermuskel des fraglichen klinischen Falls keine elektrophysiologischen Merkmale aufweist, die mit einem Schädigungsbild des II. Motoneurons übereinstimmen können. | Die Anzahl der polyphasischen Einheiten nimmt sowohl bei Myopathien, Neuropathien als auch bei Pathologien der Motoneurone zu. Polyphasie zeigt daher eine zeitliche Streuung der Muskelzellpotenziale innerhalb einer motorischen Einheit an. Bei einigen Abnormalitäten, sogenannten Doppel- oder Dreifachentladungen, feuert eine motorische Einheit zwei- oder dreimal in sehr kurzen Zeitintervallen und repräsentiert einen metabolischen Störungszustand, der mit einer Hypererregbarkeit des motoneuralen Pools verbunden ist. In Abbildung 5 können wir eine typische Aufzeichnung minimaler willkürlicher Aktivität polyphasischer MUAP und eine Doppelentladung beobachten, die einen Zustand der motorischen Neuronenpathologie darstellt. Vergleicht man diese Aufzeichnung der pathologischen motorischen Einheit mit einigen der Abbildungen 1C, insbesondere den 5,7,13 und 23, mit den Werten der jeweiligen Amplitude von 678 μV; 419 μV3; 686 μV und 530 μV, sowie der Dauer von 8,2, 4,2, 6,2 ms und 8,4 ms, können wir feststellen, dass die aufgezeichnete Aktivität am linken Massetermuskel des fraglichen klinischen Falls keine elektrophysiologischen Merkmale aufweist, die mit einem Schädigungsbild des II. Motoneurons übereinstimmen können. | ||
Die Anzahl der polyphasischen Einheiten nimmt sowohl bei Myopathien, Neuropathien als auch bei Pathologien der Motoneurone zu. Polyphasie zeigt daher eine zeitliche Streuung der Muskelzellpotenziale innerhalb einer motorischen Einheit an. Bei einigen Abnormalitäten, sogenannten Doppel- oder Dreifachentladungen, feuert eine motorische Einheit zwei- oder dreimal in sehr kurzen Zeitintervallen und repräsentiert einen metabolischen Störungszustand, der mit einer Hypererregbarkeit des motoneuralen Pools verbunden ist. In Abbildung 5 können wir eine typische Aufzeichnung minimaler willkürlicher Aktivität polyphasischer MUAP und eine Doppelentladung beobachten, die einen Zustand der motorischen Neuronenpathologie darstellt. Vergleicht man diese Aufzeichnung der pathologischen motorischen Einheit mit einigen der Abbildungen 1C, insbesondere den 5,7,13 und 23, mit den Werten der jeweiligen Amplitude von <math>678\mu V;419\mu V3;686\mu V e 530\mu V</math>, sowie der Dauer von <math>8.2, 4.2,6.2 msec </math>, können wir feststellen, dass die aufgezeichnete Aktivität am linken Massetermuskel des fraglichen klinischen Falls keine elektrophysiologischen Merkmale aufweist, die mit einem Schädigungsbild des II. Motoneurons übereinstimmen können. | |||
===== '''Interferenzmuster''' ===== | |||
Die Kontraktionsintensität erhöht die Anzahl der Motorneuronen, die sehr schnell zu feuern beginnen, was die Identifizierung einzelner motorischer Einheitspotenziale ausschließt. Dieses Phänomen wird als Interferenzmuster bezeichnet. Die Dichte der Spitzen und die durchschnittliche Amplitude der summierten Reaktionen werden von einer Reihe von Faktoren bestimmt, wie z.B.: die absteigende Ausgabe aus der Großhirnrinde, die Anzahl der fähigen Motorneuronen, die Feuerrate jeder motorischen Einheit, die Wellenform einzelner Potenziale und die Wahrscheinlichkeit der Phasenlöschung (Kollision). In unserem klinischen Fall war das auf den Massetermuskeln aufgezeichnete Interferenzmuster sowohl in der Amplitude als auch in der Frequenz normal. | |||
Aus der detaillierten Analyse der EMG-Aufzeichnung im Zusammenhang mit dem beschriebenen klinischen Fall können wir die Abwesenheit eines organischen Schadens an der motorischen Einheit und/oder den Muskelzellen aus verschiedenen Gründen bestätigen, wie z.B.: das Fehlen von spontaner Aktivität, die normale Morphologie der motorischen Einheit und die interferenziale Rekrutierung. Die Interpretation der auf dem linken Massetermuskel aufgezeichneten EMG-Aktivität (Abbildung 1) bleibt jedoch noch offen, da sie sich, unter Bezugnahme auf die oben beschriebenen Konzepte, nicht als "spontane Aktivität" bezeichnen lässt, da sie keine Ausdrucksform der Denervation ist, noch als "Fehlen der Muskelentspannung", da der Patient den Muskel weder freiwillig noch mit Dehnübungen entspannen kann, noch als "EMG-Aktivität in Ruhe aufgrund psychischer Störung", da die psychometrischen Tests negativ sind.{{q2|Diese Aktivität scheint auf einen Schrittmacher zentralen Ursprungs zu reagieren, der mit einer stabilen Frequenz auf zweitorderige Motoneuronen (Trigeminus-Motorneuron) feuert. Leider ist es schwer zu sagen, ob diese Aktivität auf eine Funktionsstörung des Motoneurons II oder des kortikalen und/oder subkortikalen Systems zurückzuführen ist.|}} | |||
==== Pharmakologische experimentelle Studie ==== | |||
==== | Es wurde eine experimentelle Studie vorgeschlagen, mit Einverständnis des Patienten, bei der versucht wurde, die neuronale Aktivität des Hirnstamms pharmakologisch von der kortikalen Aktivität zu entkoppeln. Gleichzeitig mit der pharmakologischen Entkopplung wurde die EMG-Aktivität mit einer koaxialen Nadel am linken Masseter überwacht und kontextuell der Lidschlussreflex. Das experimentelle Modell, das wir kurz erläutern werden, wurde durch zwei wesentliche Elemente geschaffen, nämlich: die Wahl des spezifischen Anästhetikums für den Zweck der Studie (Propofol) und die Kontrolle der elektrophysiologischen Aktivität des Hirnstamms durch den Lidschlussreflex. | ||
===== '''Propofol''' ===== | |||
Die Wirkungen von Anästhetika führen zu Bewusstseinsverlust, Gedächtnisverlust, Veränderungen der spontanen Aktivität, Dämpfung der Schutzreflexe, Verlust der posturalen Reflexe und auch zu unerwünschten Wirkungen wie Halluzinationen, Euphorie und Amnesie. Darüber hinaus können sie den Spiegel oder die Homöostase von Neurotransmittern im Gehirn wie Dopamin, Noradrenalin und Acetylcholin (ACh) beeinflussen.<ref>Angel A. : Central neuronal pathways and the process of anaesthesia. British Journal of Anaesthesia 1993; 71:148-163</ref> ACh war der erste Neurotransmitter, der beschrieben wurde, und cholinerge Neuronen sind weit im Gehirn verteilt. Cholinerge Mechanismen sind bekanntermaßen wichtig im Striatum, wo ein Gleichgewicht zwischen Dopamin- und ACh-Freisetzung für normale motorische Ausgabe sorgt,<ref>Iversen SD.: Behavioural evaluation of cholinergic drug. Life Sciences 1997; 60: 1145-1152</ref> im Hippocampus und im frontalen Cortex, wo ACh eine wichtige Rolle bei der Regulation von Bewusstsein und Gedächtnis spielt. | |||
Propofol verstärkt wahrscheinlich die hemmende Wirkung von GABAA-Rezeptoren und hat eine andere Wirkung als Barbiturate oder Benzodiazepine. Eine elegante Studie,<ref>Kikuchi T, Wang Y, Sato K, Okumura F.: In vivo effects of propofol on aceylcholine release from the fronatl cortex, hippocampus and striatum studied by intracerebral microdialysis in freely moving rats</ref> die mittels intrazerebraler Mikrodialyse bei Mäusen durchgeführt wurde, zeigte, dass Propofol in Dosen von 50 mg/kg die Freisetzung von ACh aus dem frontalen Cortex um 85 %, aus dem Hippocampus um 72 % und aus dem Striatum um 19 % verringerte. | |||
===== | ===== '''Lidschlussreflex''' ===== | ||
Der Lidschlussreflex wird durch einen Schlag auf den Augenbrauenbereich auf einer Seite der Stirn ausgelöst. Elektrophysiologisch ist es möglich, ihn durch Anwendung eines elektrischen Reizes auf den Augenbrauenbogen in Höhe des Supraorbitalforamens hervorzurufen. Die Reaktionen werden durch zwei Oberflächenelektroden auf dem M. orbicularis oculi auf jeder Seite aufgezeichnet, und die motorischen Potenziale können hauptsächlich durch zwei Ereignisse dargestellt werden, nämlich die ipsilaterale R1-Reaktion auf die Stimulation und die bilaterale R2-Reaktion. Diese Reaktionen stellen eine monosynaptische und polysynaptische Schaltung für R1 bzw. R2 dar. Die R1-Reaktion wurde angenommen, einem trigeminalen Pfad im Pons zu folgen, während die R2-Reaktion über einen Pfad in der Nähe der retikulären Formation die Gesichtskerne erreicht..<ref>Ongerboer de Visser BW, Kuypers HG (1978): Late blink reflex changes in lateral medullary lesions. An electrophysiological and neuro-anatomical study of Wallenberg's syndrome. ''Brain'' '''101''': 285-294. </ref><ref>Ongerboer de Visser BW (1983b): Comparative study of corneal and blink reflex latencies in patients with segmental or with cerebral lesions. In: Desmedt JE , editor. ''Advances in neurology''. New York: Raven Press. p 757-772.</ref><ref>Ongerboer de Visser BW (1983b): Comparative study of corneal and blink reflex latencies in patients with segmental or with cerebral lesions. In: Desmedt JE , editor. ''Advances in neurology''. New York: Raven Press. p 757-772.</ref> | |||
Die Hauptneuralschaltung des Lidschlussreflexes befindet sich im Hirnstamm, aber jüngste Arbeiten haben mit funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) gezeigt, dass während des Lidschlussreflexes bei Menschen zwei Hauptbereiche im hinteren Lappen des Kleinhirnhemisphären, hauptsächlich auf der Seite ipsilateral zur Stimulation, aktiviert werden.<ref>Dimitrova A, Weber J, Maschke M, Elles HG, Kolb FP, Forsting M, Diener HC, Timmann D. Eyeblink-related areas in human cerebellum as shown by fMRI. Hum Brain Mapp. 2002 Oct;17(2):100-15.</ref> | |||
==== | ==== Experimenteller Ablauf ==== | ||
Das Experiment bestand darin, gleichzeitig die Präsenz des Lidschlussreflexes (R1 und R2) und die EMG-Aktivität des linken Masseters mit einer Nadelelektrode während der Propofol-Infusion in Dosen von <math>2 mg/kg </math> zu überwachen, was eine leichte Dissoziation - Wachsamkeit und mit offenen Augen - verursachte. Auf diese Weise kann mit guter Annäherung festgestellt werden, dass das Medikament die mesenzephal-bulbären Funktionen freisetzte. | |||
Die EMG-Reaktionen (Abb. 6) waren wie folgt: Beim Einbringen des Medikaments kam es zu einem kurzen bewussten Verlust der kortikalen Kontrolle, den Anästhesisten klinisch als vorübergehende Hypertonie kennen und der elektrophysiologisch zu einer Zunahme des Muskeltonus führt. In Abbildung 6 (Phase 1: die ersten beiden oberen Spuren) können wir den Anstieg der Entladungsfrequenz der motorischen Einheiten von etwa <math>\approxeq 23Hz </math>vor dem Experiment (Abb. 1B) auf etwa <math>\approxeq 75Hz </math> in Phase 1 beobachten. (Abb. 6, Spur 1 und 2 oben) | |||
Nach etwa <math>\approxeq 5 sec </math> scheint sich das Medikament in die kortikal-subkortikalen Bereiche verteilt zu haben, und dieser Effekt zeigt sich elektrophysiologisch durch eine Verlangsamung der EMG-Entladungsfrequenz (Abb. 6, Spuren 3 und 4, beginnend von oben). Nach weiteren etwa <math>\approxeq 6 sec </math> ist die Sättigung der kortikalen und vermutlich subkortikalen Bereiche vollständig, und es gibt eine vollständige Abwesenheit von EMG-Aktivität am linken Masseter (Abb. 6, Spuren 5, 6 und 7, beginnend von oben). Schließlich wird das Medikament nach etwa <math>\approxeq 6 sec </math>metabolisiert, nachdem die elektrische Stille eintritt, und gleichzeitig tritt die konstante EMG-Tonaktivität wieder mit etwa <math>\approxeq 23Hz </math> auf (Abb. 6, Spuren 8-14). | |||
{{q2|Die interessantesten Daten stammten aus Phase 3, in der MUAP völlig fehlte, während der Blinzelreflex mit seinen R1- und R2-Komponenten noch auslösbar war. Dies würde den kortikalen und/oder subkortikalen Schrittmacher erklären, würde aber keine Hirnstammstrukturen betreffen.|}} | |||
[[File:EMG Propofol.jpeg|center|thumb|600x600px|Abbildung 6: EMG-Ergebnis der experimentellen Verfahren. Zum besseren Verständnis folgen Sie dem Text]] | |||
[[File:EMG Propofol.jpeg|center|thumb|600x600px| | |||
=== Conclusions === | === Conclusions === |
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